Das Prinzip „Abschreibung“
Die betrieblichen Abschreibungs-Möglichkeiten gelten geradezu als Inbegriff der vermeintlich unerschöpflichen Steuer-Gestaltungsvorteile von Selbstständigen und Unternehmern. Wer in der Praxis mit Abschreibungsvorschriften zu tun bekommt, erlebt jedoch erst einmal eine böse Überraschung. Denn das Abschreibungs-Grundprinzip lautet: „Sofort bezahlen – aber erst nach und nach von der Steuer absetzen“. Je nach Art des eingekauften Wirtschaftsgutes kann es Jahrzehnte (!) dauern, bis die ursprüngliche Investition in voller Höhe steuerlich geltend gemacht ist.
Bitte beachten Sie: Die meisten Unternehmer möchten, dass ihre Investitionen zeitnah berücksichtigt werden. Deshalb bevorzugen sie verständlicherweise Abschreibungsarten, bei denen die anfänglichen Abzugsbeträge am höchsten sind. Außerdem schöpfen sie alle sich bietenden Sonderabschreibungen und Abzugsmöglichkeiten aus.
Nicht immer ist das unterm Strich jedoch die beste Wahl: Bei absehbar steigenden Unternehmenssteuern kann es zum Beispiel vorteilhaft sein, Abschreibungen nicht sofort, sondern erst ein, zwei Jahre später geltend zu machen. Ausschlaggebend können aber auch betriebliche oder persönliche Gründe sein: Angenommen, Sie erwarten in den nächsten Jahren deutlich steigende Gewinne oder aus familiären Gründen einen steigenden persönlichen Steuersatz. Dann kann es sich lohnen, vorübergehend auf die Abschreibungsbremse zu treten, um sich mögliche Gewinnminderungen für die Zukunft aufzuheben.
Keine Frage: Wer sich mit den Abschreibungsvorschriften auskennt, kann seine Steuerbelastung in gewissem Umfang steuern. Wirklich lohnend ist eine intensive Beschäftigung mit dem Thema jedoch nur, wenn vergleichsweise hohe Investitionen vorliegen und die individuelle Steuerbelastung sehr hoch ist. Am besten lassen Sie sich in solchen Fällen von einem Steuerberater unterstützen.
Im Mittelpunkt: der Wertverlust
So kompliziert die steuerlichen Abschreibungsvorschriften sind: Die zugrundliegende Überlegung ist einleuchtend. Zwar kostet ein neuer Computer, ein Firmenwagen oder der Neubau der Geschäftszentrale zum Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung eine Menge Geld. Der anfängliche Geldabfluss mindert das Betriebsvermögen jedoch erst einmal nicht: Schließlich bleibt der materielle Gegenwert dem Unternehmen ja zunächst in voller Höhe erhalten. Und das beschaffte Wirtschaftsgut kann anschließend oft über Jahre für betriebliche Zwecke eingesetzt werden.
Erst der beim betrieblichen Einsatz entstehende Wertverlust (auch Wertverzehr genannt) mindert dann nach und nach den zu versteuernden Gewinn. Und eben dieser Wertverlust durch Abnutzung während der betrieblichen Nutzungsdauer steht im Mittelpunkt der allgemeinen Abschreibungsvorschriften des Steuerrechts. Die sind in § 7 Einkommensteuergesetz (EStG) unter der Überschrift „Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung“ zu finden. Absetzung für Abnutzung (= AfA) ist denn auch der steuerrechtliche Fachbegriff für Abschreibungen.
Bitte beachten Sie:
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Bestimmte Investitionen dürfen gar nicht abgeschrieben werden, weil der Gesetzgeber davon ausgeht, dass keine Abnutzung vorliegt. Das gilt zum Beispiel für Grundstücke.
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Die Pflicht zur planmäßigen Abschreibung über die betriebliche Nutzungsdauer greift erst ab bestimmten Wertgrenzen. Für „geringwertige Wirtschaftsgüter“ (GWG) gelten Vereinfachungsvorschriften.
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Neben den planmäßigen Abschreibungen gibt es eine ganze Reihe von Anlässen für Sonderabschreibungen, außerplanmäßige und außergewöhnliche Abschreibungen:
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Bei Sonderabschreibungen handelt es sich um fiskalische Anreize des Gesetzgebers (Subventionen): Bestimmte Unternehmen (z. B. kleine und mittlere Unternehmen, „KMU“) dürfen dabei einen Teil der Anschaffungskosten bestimmter Wirtschaftsgüter (z. B. bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens) zusätzlich zu den planmäßigen Abschreibungen steuerlich geltend machen.
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Geht ein Wirtschaftsgut verloren, wird es gestohlen oder ist es wegen eines Defektes oder einer Beschädigung nicht mehr zu verwenden, darf der Restwert außerplanmäßig vorzeitig in voller Höhe abgeschrieben werden.
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Sinkt der Wert eines Wirtschaftsgutes unvermutet durch Beschädigung, technische Veralterung oder fallende externe Marktbewertungen (z. B. Wertpapiere oder Rohstoff-Lager), darf der verbliebene Restwert unter bestimmten Umständen neu berechnet und über die Restlaufzeit abgeschrieben werden.
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Es gibt aber auch den umgekehrten Fall: Steigt der Wert eines Wirtschaftsgutes (z. B. durch Erweiterung, Zukauf von Zubehör oder steigende externe Marktbewertungen), ergibt sich eine Wertaufholung, die in Form von „Zuschreibungen“ zu berücksichtigen ist.
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Dreh- und Angelpunkt der meisten Abschreibungen ist die „betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer“: Die finden Sie für unterschiedliche Wirtschaftsgüter und bestimmte Branchen in sogenannten AfA-Tabellen, die von den obersten Finanzbehörden veröffentlicht werden.
Handelsrechtliche und kalkulatorische Abschreibungen
Der vorliegende AfA-Leitfaden beschäftigt sich mit den wichtigsten Aspekten steuerlicher Abschreibungen aus Sicht von Selbstständigen und Kleinunternehmern. Abschreibungen gibt es aber nicht nur im Steuerrecht:
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So finden sich in den Bewertungsvorschriften des Handelsrechts ganz andere Abschreibungs-Bestimmungen. Die wichtigsten handelsrechtlichen Vorgaben für die „Zugangs- und Folgebewertung“ von Vermögensgegenständen sind in § 253 HGB zu finden. Die abweichenden Abschreibungs- und Bewertungsvorschriften sind übrigens der Grund dafür, dass viele Unternehmen zwei Bilanzen vorlegen: eine Steuer- und eine Handelsbilanz, die oft unterschiedliche Vermögensdarstellungen beinhalten. Im Jahr 2017 wurden in der deutschen Volkswirtschaft Abschreibungen in Höhe von 570,5 Milliarden Euro getätigt (Stand Januar 2018).
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Wesentlich größere Freiheiten haben Unternehmen hingegen im internen Rechnungswesen: Auch in der Kosten- und Leistungsrechnung oder der Investitionsrechnung spielen Abschreibungen eine wichtige Rolle. Schließlich sind der Wertverlust und die Notwendigkeit von Ersatz- oder Neubeschaffungen ja keine steuerliche Fiktion, sondern in den allermeisten Fällen betriebliche Realität. Der allmähliche Werteverlust von Wirtschaftsgütern muss daher zum Beispiel unbedingt in die Preiskalkulation einfließen.
Wichtig: Gesetzliche Bestimmungen für interne „kalkulatorische Abschreibungen“ gibt es grundsätzlich nicht. Während den steuerlichen Abschreibungsvorschriften die Anschaffungs- und Herstellungskosten zugrundeliegen, rechnen Betriebe im internen Rechnungswesen meist mit tatsächlichen Wiederbeschaffungskosten. Und auch bei der Nutzungsdauer dürfen sich Controller nach Belieben an tatsächlichen oder fiktiven Laufzeiten orientieren. Die Abschreibungswerte im internen Rechnungswesen, in Kostenrechnung und Controlling unterscheiden sich daher oft gravierend von den steuer- und handelsrechtlichen Abschreibungswerten.
Zurück zu den steuerlichen Abschreibungsvorschriften: Wie hoch die „Absetzung für Abnutzung“ (AfA) im Einzelfall sein darf, hängt von den folgenden Merkmalen und Bedingungen ab:
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Art des Wirtschaftsgutes,
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Art der Aufnahme ins Betriebsvermögen,
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Wert des Wirtschaftsgutes (Anschaffungs- oder Herstellungskosten bzw. Einlagewert,)
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Nutzungsdauer sowie
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der zulässigen Abschreibungsmethode.
Die verschiedenen Abschreibungsaspekte sollen auf den folgenden Seiten etwas genauer beleuchtet werden:
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